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Lutz Deterra

Kallappp, die Zimmertür schnappt hinter mir zu. Das war jetzt der letzte Gang auf’s Zimmer.

Zuvor waren da noch zwei Tage voller Transportationen. Erst mit dem ICE nach Berlin, was wie immer recht komfortabel war (bis auf das schnarchlangsame W-lan der deutschen Bahn). Dann wurde noch kurz etwas mit der Sängerin geprobt, und später am Abend gab es ein gemeinsames Essen beim Vietnamesen.  

Heute ging es dann per MB-Vito von Berlin nach Hamburg. Im Vito ist es vorne mit drei Personen eng wie in einer Sardinendose. Eine Baustelle und Stau jagte die Andere. Es war zum Mäusemelken. Und ungefähr 400 Meter vorm Ziel brach der Verkehrsfluss wegen des CSD völlig zusammen und unser Gitarrist Karl ging den Rest zu Fuß zum Hotel. 


Dann mußte noch ein Corona-PCR-Test gemacht werden. Warum dieser am weit entfernten Hamburger Airport abgehalten werden sollte ist mir bis heute schleierhaft. 

Auf dem Rückweg haben wir noch etwas im Consum für die lange Zeit in Einzelhaft eingekauft. In meinem Fall Schokolade, Bananen und Salzbrezel. 


Der letzte Gang auf’s Zimmer. Es gibt nun kein return mehr. Die Tür bleibt für volle sieben Tage zu. OK, die Mahlzeiten darf ich mir noch von der Fußmatte ins Zimmer-Innere reinziehen und später wieder rausstellen. Aber das war’s dann auch. Ich blicke auf die kommenden Tage voller Sorge. 

OK, im Krankenhaus ist es doch ähnlich, oder. Kleines Zimmer, man liegt tagelang im Bett, kann da auch nicht raus. Dazu kommen noch die Schmerzen, die Sorgen und Ängste. Aaaber - da sind ja immer noch die vielen Schwestern und Putzfrauen, oder die Pfleger, die das Essen ans Bett bringen. Laufend fliegt die Tür auf, und es passiert etwas.

Hier wird in der nächsten Woche absolut nichts passieren. Und Sorgen und Ängste habe ich hier auch. Sorgen darum dass mein Schokoladen- und Brezelvorrat nicht ausreicht. 


Also, ich habe meine kleinen Leckereien, reichlich Lesestoff, W-Lan, meinen Laptop mit Musiksoftware zum arbeiten und kreativ sein. Ach ja, den Fernseher hatte ich ganz vergessen. Aber Fernsehen ist zu 90 Prozent Schrott. Soweit meine Erfahrung mit „ich glotz TV“. Taugt gerade mal als Hintergrundrauschen. 

Sie haben mir zwei Kisten Mineralwasser ins Zimmer gestellt. Die Minibar ist ratzeleer. Ich bin froh dass kein Alk im Zimmer ist. Zu verführerisch …

Für die nächsten Tage wünsche ich mir das Wetter so schlecht wie’s eben geht. Der Regen soll gegen das Zimmerfenster klatschen, und der Wind soll durch die Ritzen heulen. Wenigsten ein kleines Bisschen Genugtuung. Bitte. Die Aussicht aus meinem Zimmerfenster ist eh schon deprimierend genug. Da blicke herunter in einen häßlichen Hof mit ein Paar Autos und Müllkontainern. Umgeben ist dieser Hof mit einem Kranz aus hohen Häusern, dessen unzählige Fenster gnadenlos auf mein Fenster starren.


Sicherlich werde ich mir in den nächsten Tagen irgendwann mal meine Nasenhaare gründlich vornehmen. Und bestimmt auch an anderen Stellen mal gründlich nachsehen. Quasi so eine körperliche Großinventur. Vielleicht vor dem großen Spiegel in der Diele. Kommt ja keiner plötzlich rein. Auch nicht zum Aufräumen oder Bettenmachen. Wer weiß auf was für schräge Sachen man so alles kommt, wenn man sich in einer solchen von der Aussenwelt abgeschlossenen Kapsel befindet. Unbeobachtet. 

Na klar, warum soll ich mich dann morgens überhaupt noch anziehen? Waschen ? Könnt ja auch um 3Uhr morgens aufstehen, und um 9Uhr mich wieder schlafen legen. Bei solchen Gedanken kommt ein gewisses Gefühl der Schwerelosigkeit in mir hoch. Eine Art MIR-Station inmitten der Hamburger City. Am Ende der Quarantäne wird bestimmt jeder der Truppe ein paar Dinge getan haben, die er als kleines süßes Geheimnis besser für sich behalten wird. 


Inzwischen habe ich meine erste Mahlzeit ins Zimmer hineingezogenen und zu mir genommen. Grüner Salat mit Hähnchenbrust Filets oben drupp. Die erste Tüte mit Brezeln ist auch schon auf, der Fernseher läuft auch schon. Ohne Ton. Ich bin erschöpft und bräsig. Lange werde ich nicht mehr brauchen bis mir die Augen zufallen werden. Soll ich mir schon mal das Schlaf-T-Shirt anziehen?. Ähm…. aber wozu eigentlich.


Draußen rauscht der Regen, und in der Ferne höre ich gewittriges Grollen. 

Hach….


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